Author: Mario Voge

Elektronisches Patientendossier – Woran hapert es?

Schaut man sich an, wie heute oft noch im Gesundheitswesen kommuniziert wird, wird die Notwendigkeit einer sicheren, digitalen Lösung offenkundig. Doch statt des Elektronischen Patientendossiers werden auch im Jahr 2023 nicht selten Fax oder gar WhatsApp für den Austausch medizinischer Daten genutzt. Liegt es daran, dass das EPD zu kompliziert und zu bürokratisch ist, fragt sich Mario Voge, Head of Growth Management bei Swisscom Trust Services.

„Seit 2020 wird in der Schweiz schrittweise das elektronische Patientendossier (EPD) eingeführt. ‚Die Eröffnung soll einfach und vor allem auch sicher sein …", ist auf der Seite der FMH zu lesen. Was die Einfachheit der Eröffnung anbelangt, sieht es in der Praxis leider noch anders aus.

Auf der Patientenseite beginnt es damit, dass es verschiedene Anbieter von EPDs gibt, die wiederum mit verschiedenen Anbietern für elektronische Identitäten zusammenarbeiten. Diese elektronische Identität ist zwingend notwendig, um einen Patienten sicher und zweifelsfrei seinem EPD zuzuordnen. Gesundheitsfachpersonen müssen wiederum einen anderen Identitätsanbieter nutzen. Für sie ist die HIN-ID der Health Info Net AG verpflichtend. Egal bei welchem Anbieter, ein Abgleich mit der realen Identität des Nutzers ist notwendig. Das heisst, wer ein EPD eröffnen (oder es als Arzt nutzen) möchte, muss sich einmal identifizieren. Das läuft heute meist noch in Persona ab, d.h. Patienten müssen ihren Ausweis vorzeigen. Ein Online-Verfahren mittels Video-Anruf ist ebenfalls zulässig.

Beide Verfahren haben allerdings die Nachteile, dass sie an fixe Öffnungs- und Arbeitszeiten gebunden sind sowie einen hohen Personalaufwand und somit Kosten verursachen. Ursprünglich war vom Bund (BAG) ein Kostendach diskutiert, dass die gesamte Wertschöpfung, inklusive Betrieb des ePD anstrebt, die Stakeholder, Lieferanten und Nutzer damit das immense Kostenproblem sicherere und transparenter zu gestalten. Da die Finanzierung weiterhin unscharf war, versucht man es nun neu, damit alle Seiten eine akzeptable Aufteilung zwischen Spitälern, Stammgemeinschaften und Kantonen zu ermöglichen. Das Ergebnis werden wir dann sehen, wir bleiben gespannt, ob wir die Digitalisierung nun forcieren werden. Wenn die neue Struktur umgesetzt werden soll, muss konsequent auf möglichst viel Automatisierung im Prozess gesetzt werden, da ansonsten wachsende Personalkosten schnell einen Strich durch die neue Kostenrechnung und -aufteilung machen könnten.

Idealerweise kann man zur Identifizierung bereits bestehende Daten nutzen. Wer ein Bankkonto eröffnen möchte, muss sich dafür identifizieren. Mit dem BankIdent-Verfahren kann diese Datengrundlage zur Identifizierung bei anderen Diensten genutzt werden. Dank künstlicher Intelligenz ist es inzwischen auch möglich, Ausweisdokumente automatisch bei einer Videoübertragung zu scannen. Diese Arten der Identifikation haben den Vorteil, dass sie vollständig automatisch ablaufen und daher praktisch unbegrenzt skalierbar sind. Und nicht nur das, sie sind 24x7 jederzeit verfügbar und von jedem Ort, auch von der Skipiste möglich. Aktuell ist noch Video- und ein NFC-basiertes automatisiertes Auslesen vom Reisepass die diskutierten Optionen. Aber auch diese, sind weder flächendeckend (Reisepass ca. 40% Abdeckung) noch hoch-verfügbar. Also auch hier ist eine Durchdringung und schnelle Akzeptanz weit weg.

Laut der Studie ‚Swiss eHealth Barometer‘ besitzen nur etwa sieben Prozent der befragten Schweizer ein EPD. Reale Nutzungszahlen verorten die Autoren sogar nur im Promillebereich. Für die gewünschte flächendeckende Einführung müssten also noch Millionen Eidgenossen identifiziert werden. Auch deshalb ist ein Verfahren wichtig, das einfach zu skalieren ist, ansonsten würde eine Überlastung, nicht nur auf der Kostenseite, des Systems drohen.“

 

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