Author: Mario Voge

E-Rezept Schweiz: Aktuelle Entwicklungen im Überblick

In den vergangenen Jahren hat das E-Rezept in der Schweiz immer mehr an Bedeutung gewonnen. Anders als in Deutschland haben Ärzte und Apotheken bisher in der Schweiz das E-Rezept vorangetrieben.  Seit Mai 2022 arbeiten der schweizerische Ärzteverband FMH und der Apothekenverband pharmaSuisse in einem Pilotprojekt zusammen und entwickeln ein einfaches, sicheres E-Rezept mit QR-Code-Übermittlung. Die gemeinsame Lösung zielt darauf ab, eine einheitliche Lösung für die gesamte Schweiz zu schaffen. Jetzt, genau ein Jahr später, möchte der Bundesrat einheitliche Rahmenbedingungen für das E-Rezept schaffen und übergibt im Dezember 2023 das teil-revidierte Heilmittelgesetz in die Vernehmlassung.

In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick auf die neusten Entwicklungen, Vorteile und Hürden bei der Adaption des E-Rezepts in der Schweiz.

Wie funktioniert das aktuelle E-Rezept in der Schweiz?

Das E-Rezept bildet die digitale Variante der traditionellen papierbasierten Medikamentenverschreibung für Patienten. Anders als in Deutschland, wo die gematik die Einführung des E-Rezepts zentral steuert, können in der Schweiz diverse Unternehmen eine E-Rezept-Lösung anbieten. Vor diesem Hintergrund starteten im Mai 2022 der schweizerische Ärzteverband FMH und der Apothekenverband pharmaSuisse ein Pilotprojekt eines einheitlichen E-Rezepts für die gesamte Schweiz. Es basiert auf einem verschlüsselten QR-Code, der dem neuen Einzahlungsschein einer Schweizer Bank ähnelt. In diesem QR-Code sind alle Angaben über die verschreibungspflichtigen Medikationen und die elektronische Signatur des Arztes enthalten. Die elektronische Signatur bestätigt die Authentizität und Unverfälschbarkeit der Daten im E-Rezept und stellt sicher, dass die digitale Identität des ausstellenden Arztes oder der Gesundheitsfachkraft gültig ist. Dadurch wird das E-Rezept vor Fälschungen geschützt und ist fälschungssicher.

Das oberste Ziel dieses Pilotprojektes besteht darin, dass Ärzte und Gesundheitsfachpersonen nach einer Konsultation oder Videosprechstunde das E-Rezept oder digitale Medikationsplan in Ihrer zugelassenen webbasierten Praxissoftware ausstellen. Anschliessend wird dem Patienten das E-Rezept mit beigefügtem QR-Code digital zugestellt oder als Ausdruck übergeben. Der Patient erhält über seine Medikationsdaten die volle Kontrolle und kann das Rezept bei der Apotheke seines Vertrauens oder online einlösen. In der Apotheke wird dann der QR-Code gescannt und die Apothekensoftware liest die Rezeptdaten heraus und validiert dessen Gültigkeit. Anschliessend werden die Medikamente an den Patienten übergeben und das E-Rezept entwertet. Durch diesen Prozess entfällt das aufwendige Abtippen und Kopieren von Rezeptdaten, was Fehlerquellen beseitigt und möglichen Missbrauch erschwert. Nach Angaben der FMH und pharmaSuisse werden bei diesem Prozess die gesamten E-Rezept-Daten dezentral gespeichert.

Vorteile des E-Rezepts

Das E-Rezept bietet eine Vielzahl von Vorteilen und Chancen für alle Beteiligten und leistet einen enormen Beitrag zur Digitalisierung des Gesundheitswesens. Durch einheitliche E-Rezept-Lösung wird eine nahtlose Zusammenarbeit und Interoperabilität zwischen Ärzten, Apotheken und Patienten ermöglicht.  Es schafft eine effektive und effiziente digitale Versorgungskette im Gesundheitswesen und führt zu einer verbesserten Patientensicherheit.

Für Ärzte bedeutet dies eine einfachere und schnellere Verschreibung von Medikamenten. Die digitalen Rezepte können, während einer Konsultation, direkt vom Arzt in der Praxissoftware mit einer qualifizieren elektronischen Signatur unterschrieben und anschliessend auf das Smartphone des Patienten übertragen werden. Dies spart erheblich Zeit und senkt die Kosten für das Drucken von Papierrezepten. Ferner ermöglicht das E-Rezept eine verbesserte Nachverfolgung der verordneten Medikamente und reduziert das Risiko von Fehlern.

Für Apotheken eröffnet das E-Rezept die Möglichkeit, ihre Arbeitsabläufe zu optimieren und ihre Effizienz zu steigern. Durch die elektronische Übermittlung und die vollständig digitale Verarbeitung der E-Rezepte in der Apothekensoftware entfällt der manuelle Aufwand bei der Erfassung und Verarbeitung von Rezeptdaten, was wiederum Fehler minimiert. Ebenso können Apotheker die Medikationspläne ihrer Kunden besser überwachen und gegebenenfalls auf mögliche Nebenwirkungen oder Unverträglichkeiten hinweisen, was das Risiko von Medikamentenmissbrauch minimiert.

Auch für Patienten bietet das E-Rezept zahlreiche Vorteile. Nachdem der Arzt das Rezept elektronisch signiert ausgestellt hat, hat der Patient die volle Kontrolle über seine Rezeptdaten und kann es flexibel und ganz nach seinen individuellen Bedürfnissen und Vorlieben einlösen. Ganz bequem von zu Hause aus über eine Online-Apotheke oder klassisch vor Ort in der Apotheke seines Vertrauens. Dies reduziert unnötige Wartezeiten und optimiert die digitale Kundenreise.

Aktuelle Herausforderungen beim E-Rezept der Schweiz

Obwohl der Bundesrat mit der Revision des neuen Heilmittelgesetzes einen Neustart für elektronische Medikamentenrezepte und Medikationspläne wagt, gibt es immer noch einige Herausforderungen bei der Einführung eines einheitlichen E-Rezepts. Dies wird durch die aktuelle Adoptionsrate des E-Rezepts deutlich, die sich immer noch im einstelligen Prozentbereich befindet.

Zwei separate Gesetze – eine Harmonisierung Fehlanzeige

Im Gegensatz zu Deutschland unterliegen das E-Rezept und das elektronische Patientendossier in der Schweiz unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen. Während das elektronische Patientendossier dem EPD-Gesetz und der dazugehörigen EPD-Verordnung unterliegt, ist die Einführung des E-Rezepts im schweizerischen Heilmittelgesetz verankert. Diese Unterschiede in den rechtlichen Rahmenbedingungen stellen eine Herausforderung für die Einführung eines einheitlichen E-Rezepts dar. Es ist fraglich, ob das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hier ein einheitliches Gesetz für die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorschreibt. Eine Harmonisierung dieser Gesetze könnte jedoch einheitliche Standards und klar Richtlinien für das E-Rezept setzen, die die Implementierung und Anwendung vereinfachen und die aktuellen heterogenen Datensysteme der verschiedenen Leistungserbringer im EPD vereinen. Dafür ist eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den Akteuren im Gesundheitswesen und dem Gesetzgeber notwendig.

Es braucht einen einheitlichen Interoperabilitätsstandard

Da die bestehenden E-Rezept-Lösungen im Schweizer Markt von verschiedenen Unternehmen im Gesundheitssektor angeboten werden, unterscheiden sich diese auch in der technischen Zusammensetzung, diversen kryptografischen Sicherheits- und E-Signatur-Standards sowie in der Bedienbarkeit beim Einlöse-Prozess in den Apotheken. Dies führt zu einer Situation, in der es an einem einheitlichen Interoperabilitätsstandard mangelt und es stattdessen eine dezentrale Infrastruktur mit verschiedenen isolierten Lösungen und Daten-Silos gibt.

Eine einheitliche Interoperabilität ist jedoch von entscheidender Bedeutung für die erfolgreiche Implementierung einer schweizweiten E-Rezept-Lösung. Es ist notwendig, dass Ärzte, Apotheken, Leistungserbringer und Patienten nahtlos miteinander kommunizieren können, unabhängig davon, welche E-Rezept-Lösung sie verwenden. Eine dezentrale Infrastruktur mit verschiedenen Insellösungen führt hingegen zu Komplikationen und erhöht den administrativen Aufwand für alle Beteiligten. Weiterhin verfolgen die bestehenden E-Rezept-Lösungen keinen einheitlichen internationalen Standard, was die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Austausch von Gesundheitsdaten bzw. für Forschungszwecke erschweren könnte.

Fehlende technische Voraussetzungen

Um eine breite Akzeptanz und eine umfassende Nutzung des E-Rezepts zu gewährleisten, ist es von entscheidender Bedeutung, dass Arztpraxen, Apotheker und andere Leistungserbringer sicherstellen, dass ihre Verwaltungssysteme den technischen Anforderungen entsprechen. Es ist unerlässlich, dass diese Systeme den internationalen Sicherheitsstandards entsprechen und in der Lage sind, E-Rezeptdaten sicher zu speichern, auszutauschen, digital zu signieren und zu verarbeiten. Hierzu gehören wichtige Massnahmen wie der Schutz vor unbefugtem Zugriff, die Verschlüsselung der Daten und die regelmäßige Aktualisierung der Sicherheitsprotokolle. Die Umsetzung dieser technischen Voraussetzungen erfordert Investitionen in die entsprechende Infrastruktur.

Damit eine reibungslose Kommunikation und ein sicherer Austausch von E-Rezeptdaten gewährleistet werden können, ist es von grosser Bedeutung, dass der Gesetzgeber klare Richtlinien und Standards festlegt. Dies ermöglicht eine Kompatibilität der verschiedenen Systeme und stellt eine sichere Übertragung und Austausch der E-Rezeptdaten sicher. Eine einheitliche und standardisierte Vorgehensweise ist der Schlüssel zum Erfolg und zur Akzeptanz des E-Rezepts im Gesundheitswesen.

Aktuelle Entwicklungen und Ausblick 

In der Schweiz wurden in den vergangenen Jahren bedeutende Meilensteine bei der Implementierung des E-Rezepts erreicht. Im Jahr 2020 wurde ein Pilotprojekt gestartet, um die technische Umsetzung, die Sicherheit der Datenübertragung und -speicherung sowie die Benutzerfreundlichkeit des digitalen Rezepts zu testen. Die Ergebnisse waren äusserst vielversprechend und zeigten, dass das E-Rezept erfolgreich in der Schweiz umgesetzt und von Patienten schnell eingelöst werden kann.

Aktuell haben Patienten in der Schweiz die Möglichkeit, E-Rezepte in 356 Apotheken einzulösen. Die Verbände FMH und pharmaSuisse arbeiten kontinuierlich daran, das E-Rezept weitreichend zu etablieren und das Vertrauen der Ärzte, Patienten und Apotheken in diese digitale Lösung aufzubauen. Auch stehen sie im regelmässigen Austausch mit verschiedenen Softwareanbietern, um die Teilnehmerzahl des Pilotprojektes kontinuierlich zu erweitern und einheitliche technische Infrastrukturen sowie Standards für die Nutzung des E-Rezepts zu etablieren. Zeitnah werden höchstwahrscheinlich weitere Telemedizin-Anbieter beim Pilot mitmachen.

Ebenso sind die Verbände aktiv im Dialog mit dem Gesetzgeber, um sicherzustellen, dass das E-Rezept optimal mit dem elektronischen Patientendossier (EPD) kompatibel ist. Das Ziel der Verbände ist es, eine nahtlose Integration des E-Rezepts in das EPD und eine reibungslose Interaktion zwischen beiden Systemen zu verwirklichen.

Am 8. Dezember 2023 hat der Bundesrat eine entsprechende Revision des teil-revidierten Heilmittelgesetzes in die Vernehmlassung geschickt. Laut dem Artikel in der Netzwoche wird es mit dem überarbeiteten Gesetzesentwurf in Zukunft möglich sein, Medikamente elektronisch zu verschreiben und einzulösen. Gemäss der neuen Verordnung müssen E-Rezepte ausserdem im Austauschformat des elektronischen Patientendossiers (EPD) erstellt werden. Mit dieser Massnahme zielt der Bundesrat darauf ab, die Verbreitung und Weiterentwicklung des EPDs zu fördern. Zusätzlich schafft der überarbeitete Gesetzesentwurf die rechtliche Grundlage für den digitalen Medikationsplan, der ebenfalls elektronisch erstellt und aktualisiert werden soll. Die Vernehmlassung für die teil-revidierte Heilmittelgesetzgebung soll bis zum 22. März 2024 laufen. Danach wird sich zeigen, wie sich Arztpraxen, Apotheken, Telemedizin-Anbieter und andere Leistungserbringer im Rahmen des festgelegten gesetzlichen E-Rezept-Standards an diese Technologie anschliessen können und wie lange die Übergangsfristen für die Adaptierung sind.

Es bleibt abzuwarten, wie sich das E-Rezept in den kommenden Jahren in der Schweiz entwickelt und die herkömmlichen Papierrezepte weitgehend ablösen wird. 

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