Author: Mario Voge

Digitaler Produktpass: Bürde oder Wachstumschance?

Der digitale Produktpass (DPP) ist eine neue europäische Initiative, die einen digitalen Datensatz mit strukturierten Daten über ein Produkt erstellt, einschliesslich seiner Bestandteile, Materialien, chemischen Substanzen, Herkunft, Reparierbarkeit und Optionen für das Ende der Lebensdauer. In den nächsten Jahren werden Hersteller und Produkthändler in der Europäischen Union das DPP einhalten müssen, das ein wesentlicher Bestandteil der EU-Verordnung über Ökodesign für nachhaltige Produkte (ESPR) ist.

Zögern Sie nicht aufgrund der neuen Verordnung.

In ganz Europa stossen Gespräche über das DPP oft auf Widerstand. Industrieverbände warnen vor einer administrativen Überlastung, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) fürchten eine weitere Ebene der Berichterstattung, die ihre begrenzten Ressourcen beeinträchtigen würde, und viele Unternehmen argumentieren, dass sie sich ohne fertiggestellte delegierte Rechtsakte nicht vorbereiten können. Dieser verständliche Reflex ignoriert jedoch eine einfache Wahrheit: Die meisten der für einen DPP erforderlichen Informationen sind in der heutigen Regulierungslandschaft bereits vorhanden. Sie sind jedoch über verschiedene Prozesse, Formate, Tabellenkalkulationen, E-Mails von Lieferanten und Papierdokumente verstreut. Die Vorbereitung auf das DPP bedeutet in Wirklichkeit die Konsolidierung dessen, was die Unternehmen bereits machen müssen, und gleichzeitig die Hinzufügung von Automatisierungsebenen und zuverlässigen Überprüfungen.

So gesehen ist das DPP keine «ESPR-Belastung», sondern ein grosser Fortschritt für die Einhaltung der Vorschriften in der Lieferkette. Und es kommt zum richtigen Zeitpunkt. Viele Hersteller quer durch alle Branchen verarbeiten Lieferantendaten immer noch manuell. So tauschen beispielsweise mehr als 60 Prozent der deutschen Unternehmen ihre Lieferantendaten immer noch auf Papier aus, was zu inkonsistenten Formaten und fehleranfälligen Arbeitsabläufen führen kann. In diesem Umfeld ist es nahezu unmöglich, die von der neuen Gesetzgebung geforderte Genauigkeit zu gewährleisten, vor allem, wenn die Hersteller rechtlich für Informationen verantwortlich bleiben, die von Lieferanten stammen, über die sie nur begrenzte Kontrolle haben.

Daraus ergibt sich ein strukturelles Spannungsverhältnis: Unternehmen haften für Daten, die sie nicht vollständig validieren können, während Regulierungsbehörden und Verbraucher zuverlässige Einblicke in Herkunft, Materialien und Umweltauswirkungen erwarten. Würde das DPP lediglich als eine weitere Form der Berichterstattung umgesetzt, würde sich dieses Spannungsverhältnis weiter verschärfen. Die ESPR erkennen jedoch implizit den Bedarf an vertrauenswürdigen, automatisierungsfähigen Strukturen an. In Artikel 11(g) werden unter anderem Authentizität, Zuverlässigkeit und Integrität der Daten im DPP gefordert – Anforderungen, die mit den heutigen fragmentierten Arbeitsabläufen kaum zu erfüllen sind.

Der DPP als Werkzeug

Genau an diesem Punkt ändert ein digitaler Ansatz die Sichtweise. Anstatt den DPP nur als Compliance-Dokumentation zu betrachten, können Unternehmen ihn als Compliance-Tool für die gesamte Lieferkette nutzen: eine einzige Quelle für überprüfbare Informationen, die E-Mail-Anhänge ersetzt, Formatkonvertierungen überflüssig macht und Verantwortlichkeiten nachvollziehbar macht. Qualifizierte elektronische Siegel (qSeals) spielen bei dieser Umstellung eine zentrale Rolle. Wenn Lieferanten ihre Daten mithilfe von eIDAS‑konformen Vertrauensdiensten versiegeln, erhalten Hersteller eine rechtssichere Zusicherung, dass die Informationen nicht manipuliert wurden. Die Verantwortlichkeit wird eindeutig, und die Beweislast kann auf die Verantwortlichen zurückverlagert werden.

Sobald die Daten an der Quelle verifiziert und zwischen den Partnern interoperabel sind, können Unternehmen ihre Prozesse rationalisieren und den Verwaltungsaufwand für wiederkehrende Audits reduzieren. Das DPP kann zu einem Bindeglied zwischen den Systemen werden und die heutigen isolierten Compliance-Bemühungen durch ein kohärentes digitales Backbone ersetzen. Einige Hersteller haben dieses Potenzial bereits erkannt und 2023 mit Pilotprojekten begonnen, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten, bevor das zentrale EU-Register im Juli 2026 eingeführt wird.

Wenn es richtig umgesetzt wird, können alle davon profitieren.

Aus Sicht des Gesetzgebers geht es bei der Einführung des DPP in erster Linie um mehr Transparenz für die Verbraucher und um die Förderung einer nachhaltigeren Wirtschaft. Dies muss jedoch nicht im Widerspruch zu den Zielen der Unternehmen stehen. Sie sollten jetzt die Gelegenheit nutzen, ihre Produkt- und Lieferanteninformationen besser zu organisieren. Dadurch wird nicht nur die Einhaltung der Vorschriften gewährleistet, sondern die Unternehmen können auch Effizienzgewinne erzielen.

Erfahren Sie in unserem neuesten Whitepaper mehr über das DPP und die EU-ESPR-Verordnung und tauchen Sie tiefer in die Schaffung reibungsloser, sicherer Prozesse für das Produktinformationsmanagement und die Einhaltung des DPP ein.

 

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