Mit der im März 2023 angekündigten Digitalisierungs-Strategie möchte das Deutsche Gesundheitsministerium die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens und der Pflegeversorgung weiter vorantreiben und im europäischen Vergleich zukunftsfähig und wettbewerbsfähig ausgestalten. Eine wichtige Rolle dabei spielt die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und dessen breite Adaption unter allen Beteiligten im Gesundheitswesen und der Pflege. Zwar gibt es die ePA bereits seit Januar 2021, allerdings haben sich, laut einer BITKOM-Studie, ca. 1 Prozent der Deutschen eine ePA bei ihrer Krankenkasse eröffnet. Dennoch hat sich das Gesundheitsministerium zum Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2025 bereits 80 Prozent der gesetzlich Krankenversicherten über eine elektronische Patientenakte (ePA) verfügen und Medikamentenrezepte standardmässig auf elektronischem Wege statt papierbasiert übermittelt werden. Seitens des Gesundheitssektors gibt es allerdings noch viele offene Fragen und Skepsis bei der Implementierung.
In diesem Blogartikel werfen wir einen Blick auf die aktuellen Herausforderungen bei der Adaption und Chancen der elektronischen Patientenakte.
Die elektronische Patientenakte (ePA) ist eine digitale Version der traditionellen papierbasierten Patientenakte. Seit dem Start am 1. Januar 2021 können alle gesetzlichen Versicherten in Deutschland freiwillig bei ihrer Krankenkasse eine ePA erhalten. Die ePA enthält alle relevanten medizinischen Informationen eines Patienten, wie Diagnosen, Medikamentenpläne und -rezepte, Laborergebnisse, Arztbriefe oder Überweisungen sowie Impf- und Mutterpass. Im Gegensatz zur herkömmlichen karteibasierten Akte ist die ePA im digitalen kryptografisch verschlüsselten Raum verfügbar und Patienten können sämtliche medizinischen Dokumente hochladen und diversen Gesundheitseinrichtungen, z. B. Krankenhäusern, Apotheken und Ärzten, die Einsicht und Zugriff auf diese Informationen erlauben. Der Versicherte übernimmt die vollständige Verwaltung und Kontrolle seiner Gesundheitsdaten im ePA.
Die breite Adaption der elektronischen Patientenakte (ePA) in der deutschen Bevölkerung und den Akteuren des Gesundheitswesens steht vor einigen Herausforderungen. Laut aktuellen Recherchen von mdr und tagesschau nutzen gerade mal ca. 750.000 von 73 Millionen Versicherten eine ePA. Was sind die genauen Ursachen für die so geringe Akzeptanz?
Beim Thema Datenschutz und Datensicherheit gibt es noch viele Fragen und Zweifel von allen Parteien. Viele Patienten haben Bedenken, ob gerade sensible Gesundheitsdaten, wie eine psychotherapeutische Behandlung oder Schwangerschaftsabbrüche, ausreichend geschützt sind. Es ist wichtig, dass geeignete Sicherheitsmassnahmen, wie eine starke Verschlüsselung, Zugriffskontrollen und regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen implementiert werden, damit die Bevölkerung das Vertrauen in die ePA gewinnt.
Zusätzlich fordern Datenschützer klare Regelungen und Vorschriften über den Umgang, die Nutzung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten in der ePA. Einerseits müssen Patienten die volle Kontrolle über ihre eigenen Daten haben und entscheiden können, welcher Arzt oder welche Gesundheitseinrichtung auf welche konkreten medizinischen Dokumente zugreifen kann. Andererseits sollten Versicherte auch in der Lage sein klar und einfach widersprechen zu können, sofern sensible Gesundheitsdaten beispielsweise an Forschungseinrichtungen weitergeleitet werden sollen. Schliesslich ist es wichtig, dass diese Daten ausschliesslich für medizinische Zwecke verwendet und nicht missbraucht werden. Aktuell besteht hier noch ein hoher Aufklärungsbedarf und Unklarheiten, wie die Patienten die differenzierte Zustimmung auf den Datenzugriff gegenüber bestimmten Ärzten erteilen können.
Die erfolgreiche Etablierung der ePA erfordert auch eine gut funktionierende technische Infrastruktur. Dies setzt voraus, dass die ePA mit verschiedenen bestehenden Systemen von Arztpraxen, Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen nahtlos interagieren muss. Aktuell sind diese jedoch nicht ausreichend auf die digitale Speicherung und Übermittlung der Patientendaten an die ePA vorbereitet, da sie nicht über die notwendigen Systeme und Software verfügen. Mit ca. 150 verschiedene Praxisverwaltungssysteme in Deutschland ist die IT-Landschaft sehr heterogen, sodass die Anbieter die Schnittstellen zu ePA anpassen und Updates für die sicherheitstechnische Verschlüsselung einspielen müssten. Doch die Softwareanbieter kommen bei der Menge und den hohen regulatorischen Anforderungen im Gesundheitswesen nicht hinterher. Es muss mit hohen Investitionen gerechnet werden und viele Arztpraxen sind überzeugt, dass der Aufwand für diese Umstellungen sehr hoch sind und der eigentliche Mehrwert sich aktuell bisher nicht abzeichnen könnte.
Des Weiteren existieren zu viele bürokratische und administrative Hürden, die die Verbreitung der ePA erschweren. Es gibt viele Vorschriften und komplizierte Registrierungsprozesse, die Patienten unterschiedlicher Altersstufen, Ärzten, Krankenkasse und Gesundheitseinrichtungen beachten müssen, um die ePA einzurichten, zu nutzen und darauf zugreifen zu können.
Versicherte müssen sich einmalig bei ihrer Krankenkasse registrieren und eine elektronische Gesundheitskarte mit NFC-Chip und PIN beantragen. Die entsprechende ePA-App kann auf dem Smartphone installiert werden. Es gibt auch alternative Identifizierungs- und Authentifizierungsmethoden wie die Vorlage eines Personalausweises über die Kundenberatungen der Krankenkasse, eID-Ident mit dem elektronischen Personalausweis (nPA) oder das Postident-Verfahren in Postfilialen. Durch die Vorgaben der gematik sind allerdings sämtliche Online-Identifizierungsverfahren, wie Video-, Auto-Ident oder KI-basierte Verfahren nicht mehr zugelassen. Die Authentifizierung kann je nach Krankenversicherungsunternehmen unterschiedlich sein, aber Versicherte benötigen in jedem Fall eine Krankenversicherungsnummer und je nach Verfahren eine E-Mail-Adresse oder Zugang zum Online-Bereich.
Wer beispielsweise keinen Zugang zum Internet und Smartphone besitzt, wird nur einen Einblick über die Arztpraxis in die eigene ePA erhalten und es besteht die Gefahr von deren Nutzung ausgeschlossen zu werden. Diese Barrierefreiheit sollte für die breite Adaption dringend berücksichtigt werden, wenn man bedenkt, dass viele der Ü65-Jährigen in Deutschland keinen Zugang zum Internet haben oder im Besitz eines Smartphones mit dem aktuellen Betriebssystem sind, das für die ePA vorausgesetzt wird.
Zusätzlich besteht Uneinigkeit darüber, wer die papierbasierte medizinische Dokumente in die e-Akte übertragen sollte. Patienten möchten möglicherweise auch ältere Dokumente in der digitalen Akte haben, um einen Einblick über die Krankenhistorie oder Vorerkrankungen gewähren. Allerdings können bislang nicht alle Daten und Dokumente in der ePA gespeichert und abgerufen werden, daher müssen Patienten diese selbst einscannen und hochladen. Ursprünglich war geplant, dass Versicherte ihre Krankenkassen damit beauftragen könnten, aber die Kassen lehnen dies ab und sehen die Verantwortung bei den Versicherten und Leistungserbringern. Dieser aufwendige Prozess müsste vereinfacht und automatisiert werden, um eine breite Akzeptanz aller Beteiligten an der elektronischen Gesundheitsakte zu gewähren.
Trotz der vielseitigen Herausforderungen bei der Adoption eröffnet die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) in Deutschland vielfältige Möglichkeiten für die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Im Folgenden werden einige der wichtigsten Vorteile aufgeführt:
Zentralisierung und Zugänglichkeit von Gesundheitsdaten: Die ePA ermöglicht es, Gesundheitsdaten verschiedener Ärzte und Gesundheitseinrichtungen zentral zu übermitteln und zu speichern und für autorisierte Personen zugänglich zu machen. Dadurch wird der Austausch von Informationen erleichtert, die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gesundheitsdienstleistern verbessert und die Qualität der Versorgung erhöht.
Effizienzsteigerung und Kosteneinsparung: Durch den elektronischen Zugriff auf Patientendaten können Wartezeiten verkürzt und Doppeluntersuchungen vermieden werden, was wiederum eine effizientere Nutzung von Ressourcen ermöglicht. Zusätzliche können durch die reduzierten Papier- und Druckkosten bei gesundheitlichen Dokumenten die Kosten bei Krankenhäusern und Arztpraxen deutlich gesenkt werden.
Patientenautonomie und Transparenz: Die ePA gibt den Patienten mehr Kontrolle über ihre eigenen Gesundheitsdaten. Sie können selbst entscheiden, wer Zugriff auf ihre Daten hat und welche Informationen sie teilen möchten. Dies fördert die Transparenz und ermöglicht den Patienten eine aktive Beteiligung an ihrer Gesundheitsversorgung.
Verbesserung der Diagnose und Behandlung: Eine umfassende und leicht zugängliche Patientenakte kann Ärzten helfen, fundiertere Diagnosen zu stellen und personalisierte Behandlungen anzubieten, da sie durch den elektronischen Zugriff einen vollständigeren und schnellen Überblick über die Krankengeschichte des Patienten erhalten. Dies führt zu einer verbesserten Behandlungsqualität und reduziert gleichzeitig den Zeitaufwand für die Dokumentation und Suche nach Informationen.
Forschung und Entwicklung: Anonymisierte Gesundheitsdaten aus der ePA können für medizinische Forschungszwecke genutzt werden, um Muster, Trends und neue Behandlungsmethoden zu identifizieren. Dies könnte die Entwicklung neuer Medikamente und Therapien vorantreiben.
Swisscom Trust Services ist ein führender akkreditierter Vertrauensdienstanbieter, der in Europa in den Rechtsräumen der EU und der Schweiz qualifizierte elektronische Signaturen und Siegel gemäss EU-Verordnung eIDAS und schweizerischem Gesetz ZertES anbietet. Dabei werden die besten online Identifizierungsservices (u. a. eID-Ident) am Markt für die einmalige Registrierung der e-Signatur genutzt und ein Pool an zahlreichen Authentisierungslösungen (IDPs) als Signaturfreigabemethoden über einen Broker angeboten. Über unser breites Partnernetzwerk, die verschiedene Softwarelösungen (u. a. PVS, AVS etc.) für Krankenversicherungen, Apotheken und anderen Gesundheitseinrichtungen anbieten, werden unsere Produkte nahtlos integriert und für elektronische Signieren von digitalen Dokumenten verfügbar gemacht. Auf diese Weise können alle beteiligten Akteure im digitalen Gesundheitswesen eine Vielzahl von Dokumenten, wie z. B. e-Rezepte, e-Überweisungen, Medikationsplanänderungen, Einwilligungen oder Diagnoseberichte, sicher und digital abschliessen. Mittels qualifizierten elektronischen Siegeln besteht die Möglichkeit Belege auch ordnungsgemäss nach der Norm des BSI für ersetzendes Scannen (TR-RESISCAN) zu siegeln, bevor sie in die Akte hineingeladen werden. Dies führt zur Integrität aller Dokumente, erheblichen Kosteneinsparungen, steigert die Effizienz beim Austausch der Dokumente über die ePA und verbessert die Qualität der Patientenversorgung.